70 Jahre Baden-Württemberg

18. April 2022

Vom Trennungs- zum Bindestrich? Am 25. April wird Baden-Württemberg 70 Jahre alt!

In den Nachkriegsjahren war im Südwesten Deutschlands kaum ein anderes Thema so umstritten, wie das der Länderneugliederung: Entweder der Zusammenschluss der 1946 von den Besatzungsmächten gebildeten Länder Baden (Südbaden), Württemberg-Hohenzollern und Württemberg-Baden, oder die Rückkehr zu den historischen Ländern Baden bzw. Württemberg.

Ende 1951 fand dann ein Volksentscheid statt - und im April 1952 dann die Landesgründung.

Dass bei der Namensgebung „Baden“ das neue Bundesland anführt, sollte u.a. als Zugeständnis an die Badener verstanden werden. Dennoch wird hierzulande Regionalpatriotismus und das badische Selbstverständnis kultiviert – und das nicht nur im Freiburger Fußballstadion. Immerhin steht ja auch keine württembergische, sondern eine badische Mannschaft im DFB Finale ;-)!

Und so ist bis heute – wenn meist auch augenzwinkernd – eine „Nuancierung“ zwischen den Badnern und den „Schwoobe“ festzustellen.

Doch wie war denn das genau damals?

Entscheidend war der der Abstimmungsmodus, denn dieser sah den Zusammenschluss vor, wenn sich im gesamten Abstimmungsgebiet und in mindestens drei der vier Abstimmungsbezirke Nordbaden, Südbaden, Nordwürttemberg und Südwürttemberg-Hohenzollern eine Mehrheit dafür aussprach.

Die Südbadener argumentierten gegen eine vermeintliche schwäbische, protestantische Dominanz und zwischen diesen „Altbadnern“ und den Südweststaatsanhängern entbrannte ein Kampf um jede Stimme. Leidenschaftlicher Wortführer der Altbadner war Leo Wohleb, der rührige und – bis heute – populäre Staatspräsident von (Süd-) Baden.


Staatspräsident Leo Wohleb auf Staatsbesuch in Ortenberg am 19. März 1950
Staatspräsident Leo Wohleb auf Staatsbesuch in Ortenberg am 19. März 1950

Nach einem heftigen Abstimmungskampf fiel am 9. Dezember 1951 schließlich die Entscheidung: Insgesamt votierten knapp 70 Prozent und in den drei Abstimmungsbezirken Nord- und Südwürttemberg sowie Nordbaden die Mehrheit der Bevölkerung für den Südweststaat. Im bevölkerungsärmeren Südbaden sprachen sich dagegen nach wie vor über 62 Prozent und in ganz „Vorkriegsbaden“ 52% für die Wiederherstellung des alten Freistaates Baden aus. In Ortenberg wie im ganzen Landkreis Offenburg gar 80%!

Als die eigentliche Geburtsstunde des Landes wird der 25. April 1952 angesehen. In der dort stattfindenden verfassungsgebenden Versammlung des neuen Landes siegte in der Abstimmung zur Wahl des Ministerpräsidenten der schwäbische Liberale Reinhold Maier. Zur großen Überraschung und in einer der turbulentesten Szenen, die das Parlament erlebte, gab Reinhold Maier unmittelbar nach der Wahl die Vereinigung der drei bisherigen Länder zu einem neuen Bundesland bekannt. Mit Blick auf seine Taschenuhr sagte er: „Meine sehr verehrten Abgeordneten! Gemäß Paragraph 14 Absatz 4 wird hiermit der Zeitpunkt der Bildung der vorläufigen Regierung auf den gegenwärtigen Augenblick, nämlich auf Freitag, 25. April 1952, 12 Uhr und 30 Minuten, festgestellt. Mit dieser Erklärung sind die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zu einem Bundesland vereinigt. Gott schütze das neue Bundesland.“

Die Altbadener führten auch nach der Gründung des Landes Baden-Württemberg ihren Kampf um die Wiederherstellung des früheren Landes Baden fort. Kritik gab es an der „willkürlichen“ Aufteilung in vier Wahlbezirke und am Wahlmodus: Denn hätte man die Stimmen aller Badener zusammengezählt, hätte sich eine Mehrheit für Baden ergeben. Dass nicht alles mit rechten Dingen zugegangen war, bestätigte 1956 auch das Bundesverfassungsgericht: „Der Wille des badischen Volkes ist durch die Besonderheit der geschichtlich-politischen Entwicklung überspielt worden“, urteilten die höchsten deutschen Richter – und machten den Weg zu einer neuen Abstimmung frei.

Aber zu dieser neuen Volksabstimmung kam es erst 1970. 19 Jahre nach der ersten Abstimmung waren Glut und Leidenschaft inzwischen aber merklich abgekühlt und das Ergebnis war mit über 80 % ein eindeutiges Bekenntnis der badischen Bevölkerung für den Verbleib beim Land Baden-Württemberg. Durch die Kraft des Faktischen und nicht zuletzt der wirtschaftliche Erfolg des Bindestrich-Ländles hatten sich selbst leidenschaftliche Altbadener inzwischen mit dieser „Vernunftehe“ arrangiert.